Hinweise zum neu eingefügten §184l StGB

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#1 28. June 2021 - 22:36
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Hinweise zum neu eingefügten §184l StGB

Zum 1. Juli 2021 tritt in Deutschland der neu eingefügte §184l StGB in Kraft. Bereits im Vorfeld hat der Gesetzgebungsprozess zu erheblichen Verunsicherungen in der deutschen Community geführt. Der folgende Beitrag soll daher die Sachlage darstellen.

Ausgangspunkt der Einfügung ist ein Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 27.10.2020, veröffentlicht in der Bundestags-Drucksache 19/ 23707. Gegenstand ist der "Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder". Nach dem Wortlaut geht es um den Schutz menschlicher Kinder und nicht um ästhetische oder moralische Verbote für Erwachsene. Expressis verbis geht es also nicht um ein pauschales Verbot von Sexpuppen.

Die Verbindung zwischen dem Schutz von menschlichen Kindern vor sexuellem Mißbrauch und Sexpuppen erschließt sich beim Lesen des Gesetzestextes ebensowenig wie die Notwendigkeit einer Zusatzregelung. In der Begründung wird dazu angegeben:

Mit dem neuen § 184l StGB-E sollen Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von körperlichen Nachbildungen eines Kindes oder eines Körperteiles eines Kindes, die nach ihrer Beschaffenheit zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt sind, unter Strafe gestellt werden. Denn diese Nachbildungen, in der Regel Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild, können die sexuelle Ausbeutung von Kindern mittelbar fördern. Es besteht die Gefahr, dass ihre Nutzung die Hemmschwelle zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder absenkt. Durch die Nutzung solcher Objekte kann der Wunsch geweckt beziehungsweise verstärkt werden, die an dem Objekt eingeübten sexuellen Handlungen in der Realität an einem Kind vorzunehmen. Hierdurch wird die Gefahr für Kinder, Opfer von sexualisierter Gewalt zu werden, gesteigert, was nicht hinzunehmen ist. Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild können nach geltendem Recht bereits von § 184b StGB (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte) erfasst sein. An der Strafbarkeit nach § 184b StGB soll sich nichts ändern. Der neue Straftatbestand soll subsidiär greifen und Strafbarkeitslücken schließen. Er soll auch dann gelten, wenn nicht die Voraussetzungen für einen kinderpornographischen Inhalt vorliegen, und erfasst – anders als § 184b Absatz 3 StGB – auch rein fiktive Darstellungen. (S. 42)

Empirische Belege für den behaupteten Zusammenhang zwischen "Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild" und dem tatsächlichen sexuellen Mißbrauch von Kindern werden nicht angegeben, es bleibt also bei der Behauptung.

Ebenfalls vollkommen unklar ist der Gesetzesentwurf bei der konkreten Spezifikation der unzulässigen Nachbildung. Hierzu führt die Begründung aus:

Absatz 1 beschreibt in Satz 1 das Tatobjekt als körperliche Nachbildung eines Kindes oder eines Körperteiles eines Kindes, die nach ihrer Beschaffenheit zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt ist. Hierdurch wird die Abgrenzung zu anderen Arten der Darstellung von Kindern beziehungsweise Körperteilen von Kindern ermöglicht, die nicht unter die Strafvorschrift fallen. Notwendig ist eine Verkörperung, eine bildliche Darstellung genügt nicht. Die Verkörperung muss ein ganzes Kind oder ein Körperteil eines Kindes betreffen. Ausreichend ist zum Beispiel die Nachbildung des Torsos eines Kindes. Diese Nachbildung muss nach ihrer Beschaffenheit, also objektiv, zur Vornahme sexueller Handlungen bestimmt sein. Das kann sich insbesondere aus der spezifischen Darstellung der Geschlechtsorgane und dem Vorhandensein von Körperöffnungen ergeben. Unerheblich ist, ob es sich um eine wirklichkeitsnahe körperliche Nachbildung eines Kindes oder eines Körperteiles eines Kindes handelt. (S. 42)

Die Problematik an dieser Formulierung besteht darin, daß keinerlei Abgrenzungskriterien angegeben werden, anhand derer sich eine zulässige Sexpuppe von einer unzulässigen "körperlichen Nachbildungen eines Kindes oder eines Körperteiles eines Kindes" abgrenzen läßt. Nach Legaldefinition gilt in Deutschland als "Kind", wer jünger als 14 Jahre ist (JuSchG) bzw. wer jünger als 15 Jahre is (JArbSchG). Viele Jugendliche in der Altersgruppe zwischen 14 und 15 Jahren sind äußerlich nicht von jungen Erwachsenen zu unterscheiden. Durchschnittlich hat ein 14-jähriges Mädchen eine Körpergröße von 158 cm, und ein 14-jähriger Junge ist durchschnittlich 163 cm groß. Mit 15 Jahren sind Mädchen durchschnittlich 162 cm groß und Jungen 169 cm. Auch Brustgröße oder Körperform sind bei minderjährigen Frauen nur bedingt als Abgrenzungskriterien geeignet. Rechtlich gesehen ist ein Kind also keineswegs nur 100 cm und flachbrüstig. Eine objektive Abgrenzung von "kindlichen" und "erwachsenen" Sexpuppen daher nur in Sonderfällen möglich.

Wie auch bei anderen Gesetzesnovellen überläßt es der Gesetzgeber den Gerichten, die neu eingefügten Passagen zu interpretieren. Entscheidend wird hierbei sein, ob im Richterrecht Kriterien des 'common sense' angewendet werden, oder ob durch die Hintertür dann doch ein pauschales Verbot von Sexpuppen installiert wird.

Zur Orientierung kann ein Blick in die Rechtssysteme anderer Regionen hilfreich sein. Ähnliche Regelungen, wie sie in Deutschland zum 1. Juli 2021 eingeführt werden, gibt es bereits beispielsweise in Australien, Tennessee und Florida. In keinem dieser Länder wurde der Geltungsbereich der dortigen gesetzlichen Regelungen bisher auf lebensgroße Sexpuppen mit nach allgemeiner Anschauung erwachsener Körperform ausgedehnt. Als problematisch gelten jedoch Miniaturen, also proportional herunterskalierte Körper, die zwar eine erwachsene Kröperform haben, aber eben nicht lebensgroß sind. Es ist vorstellbar, daß sich auch in Deutschland Einschränkungen bei Miniaturen mit sexueller Funktionalität etablieren werden. Miniaturen ohne sexuelle Funktionalität sollten jedoch auch dann eher nicht betroffen sein.

Etwas abweichende Regelungen als in Deutschland gibt es im Vereinigten Königreich und in Kanada. Hier gibt es keine gesetzliche Grundlage für ein Verbot von Sexpuppen aufgrund ihrer sexueller Funktionalität; vielmehr finden hier vorbestehende Gesetze gegen "Unanständigkeit" und "Obszönität" Anwendung. Darunter fallen sowohl kleinwüchsige Sexpuppen als auch viele kleinbrüstige aber lebensgroße Sexpuppen sowie separate Köpfe und Miniaturen, unabhängig vom Vorhandensein einer sexuellen Funktionalität. Auch in diesen Rechtskreisen fehlen objektive Abgrenzungskriterien, daher gibt es auch dort keine Sicherheit was bspw. die Zulässigkeit einer 158 cm großen Sexpuppe angeht. Wird der Kopf vom Zollbeamten als "obszön" empfunden, kann es zu einer Beschlagnahung kommen.

Vergleicht man den Wortlaut der neuen Regelungen in Deutschland mit denen der anderen Länder/Regionen mit Einschränkungen bezüglich Sexpuppen, dann fallen vor allem argumentative Ähnlichkeiten auf. Davon ausgehend könnte man also mit einiger Berechtigung annehmen, daß die zu erwartenden Änderungen nicht über das hinausgehen werden, was aus Australien, Tennessee oder Florida bereichtet wird.

Was jedoch Anlaß zu allergrößer Sorge sein könnte, ist ein versteckter Hinweis in der Gesetzes-Begründung:

Die Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Kinder und die Beendigung von Missbrauch und Ausbeutung von Kindern folgen auch der Zielsetzung der UN-Resolution „Transformation unserer Welt: Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“. (S. 20)

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen ist ein groß angelegter Plan zu einem kompletten Umbau von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, dessen (tatsächliche) Ziele, Auswirkungen und Methoden von Beobachtern mit größter Schärfe kritisiert werden.

29. June 2021 - 23:18
Dollstudio
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Re: Hinweise zum neu eingefügten §184l StGB

Zur Umsetzung: Behandelt wurde die Gesetzesnovelle unter im Deutschen Bundestag in der Plenarsitzung am 24. März 2021 (217. Sitzung) (ZP 10, ZP 11).

Mit Stimmen der Regierungsfraktionen (CDU/CSU und SPD) sowie der AfD wurde die Beschlussempfehlung angenommen. Die drei Oppositionsfraktionen (FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Linke). Noch weitergehende Änderungsanträge von FDP und Grünen wurden nicht angenommen.

Zum 1. Juli 2021 tritt somit der neue §184l StGB in Kraft.

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